Das Holz macht die Musik

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Elastisch, klangvoll und zugleich strapazierfähig – Ein Besuch beim Geigenbauer zeigt uns, was Holz alles kann. Ein Gastbeitrag von Laura-Maria Kasper.

Seit meinem siebten Lebensjahr spiele ich nun schon leidenschaftlich gerne Cello. Wie vermutlich jeder „sein“ Instrument als das Schönste bezeichnen würde, kann ich nur sagen, dass für mich das Cello zumindest zu den schönsten zählt. Sowohl die Klang- als auch die Ausdrucksmöglichkeiten des Violoncellos sind facettenreich. Mal klingt es melancholisch, an anderer Stelle träumerisch, liebevoll oder zärtlich. Man kann aber auch stürmische oder nahezu „explosive“ Klänge dem Instrument entlocken:

(Zum Anhören klicken oder mit der Spotify App auf dem Handy einscannen)
Laura-Maria Kasper absolviert ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) beim Deutschen Forstwirtschaftsrat. Ab September 2022 wird sie Forstwirtschaft studieren.

Aber wie entsteht ein wohlklingendes Cello oder eine Geige? Und aus welchem Holz bestehen diese Instrumente eigentlich?

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, habe ich in Werder (Havel) in Brandenburg die Geigenbauwerkstadt Gruszow&Baumblatt besucht. In dieser beschaulichen Stadt mit rund 26.000 Einwohnern haben die beiden Namensgeber Mira Gruszow und Gideon Baumblatt ihre gemeinsame Geigenbauwerkstatt gegründet.

In der Werkstatt, in der die Holzscheite fein sortiert in Regalen bis zur Decke reichen, Sägespäne feinsäuberlich zu kleinen Haufen gekehrt sind und der Geruch von frischem Holz, Leim und Tee den Raum erfüllen, entstehen wahre Meisterwerke.

Ihre Instrumente wurden mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Die erste Violine ihres eingereichten Streichquartetts wurde mit einer doppelten Goldmedaille beim 23. Internationalen Geigenwettbewerb in Cleveland im US-Staat Ohio prämiert. Eine besondere Ehre, da diese Auszeichnung bislang nur viermal vergeben wurde.

In der Werkstatt war ich überwältigt von der von der schieren Masse unterschiedlicher Hölzer, die dort gelagert wurden. Um einen ersten Unterschied der einzelnen Holzarten zu erkennen, lies mich Gideon Baumblatt an einem Fichtenholz und anschließend an einem Ahornholz klopfen, um einem klanglichen Unterschied zu hören. Dabei muss ich gestehen, dass mir persönlich der Unterschied nicht aufgefallen ist, der Geigenbauer hingegen bereits kleinste klangliche Nuancen erkennen kann.

Deutlicher wird das, wenn man Brennhölzer auf einen Stapel wirft. Das ist lauter und so fällt auch Laien auf, dass jedes der einzelnen Hölzer unterschiedlich klingt. Diese Eigenschaft und die unterschiedliche Härte und Dichte verschiedener Holzarten machen sich Geigenbauer und andere Instrumentenbauer zu Nutze.

Streichinstrumente wie beispielsweise die Geige oder das Cello brauchen einen schwingenden Resonanzkörper, aber auch ein robustes Griffbrett. 

Geigenbauer erhalten ihr Holz von sogenannten Tonholzhändlern und lagern dieses in ihren Werkstätten ein. Manch ein Geigenbauer wirbt damit, besonders altes Holz zu verwenden, welches dem fertigen Instrument einen besonderen Klang verleihen soll.

Für die Resonanz wird die Decke eines Streichinstruments, beispielsweise der Geige, aus hochwertigem Fichtenholz angefertigt. Das Fichtenholz muss möglichst langsam gewachsen sein, um enge Jahrringe zu haben. Fichte ist leicht und weich, weist sowohl eine hohe Elastizität als auch Schallgeschwindigkeit auf und ist daher ein idealer Resonanzkörper, da es leicht in Schwingung zu versetzen ist. Bei der Auswahl der Hölzer spielt das Verhältnis von Elastizität und Dichte eine entscheidende Rolle.

Im Geigenbau werden die Böden und Zargen aus Ahorn angefertigt, da Ahorn härter und belastbarer verglichen zu anderen Hölzern ist. Außerdem verleiht es mit der quer zur Wuchsrichtung verlaufenden Maserung der Geige ihr typisches Aussehen. Im Fachjargon wird diese Musterung Flammung genannt.

Wie funktioniert eine Geige?

Wird der Geigenbogen über die Saite gestrichen, wird die Saite immer ein Stück mitgezogen, bevor sie sich wieder löst und zurückschnellt. Die Saite beginnt nun zu schwingen. Eine isolierte schwingende Saite ist nahezu unhörbar. Sie setzt nur eine geringe Luftmenge in Bewegung, was für das menschliche Ohr unhörbar ist. Wird die Schwingung der gestrichenen oder gezupften Saite jedoch auf den Steg, auf die Instrumentendecke und von dort mit Hilfe des Stimmstocks und des Bassbalkens auf den gesamten Korpus übertragen, schwingt nicht nur die Saite, sondern auch der Körper. Je stärker der Körper mitschwingt, desto mehr Luft schwingt mit, desto höher ist die Resonanz und desto lauter und voller ist der Klang.   

Aufgrund der Beanspruchung durch das Drücken der Saiten ist das Griffbrett, aber auch der Saitenhalter und Wirbel aus strapazierfähigem Ebenholz.

Das Ebenholz ist ein außereuropäisches Laubholz und wird importiert. Das Kernholz weist keine sichtbaren Jahresringe auf. Es ist schwarz, feinporig, glatt, hart, farbbeständig und leicht glänzend. Das restliche Holz am Stamm, das gelb-graue Splintholz, kann bis zu 70 Prozent des Stammes ausmachen und gilt als wertlos und unattraktiv und wird daher meist direkt am Fällort entfernt. Nur das Kernholz wird verwendet. Aufgrund der überragenden Eigenschaften und da zudem weltweit nur geringe Mengen produziert werden, gehört es zu den wertvollsten Holzarten der Welt.

Da Ebenholz so eine Rarität ist, wird bereits nach Alternativen gesucht. Eine Möglichkeit ist sogenanntes Sonowood. Das ist mechanisch verdichtetes Holz aus beispielsweise heimischer Fichte. Ein helles Griffbrett ist jedoch aus traditionell ästhetischen Gründen noch gewöhnungsbedürftig und findet daher aktuell kaum Verwendung.

Wie lange die Anfertigung eines einzelnen Cellos oder einer Geige dauert, können Gideon Baumblatt und Mira Gruzsow kaum sagen. Sie entwickeln ihre Instrumente auf der Grundlage von nur wenigen Modellen. Große Meister wie Antonio Stradivari dienen als Vorlage. Dennoch ist jedes Instrument ein Unikat, da bereits kleinste Veränderungen den Klang maßgeblich beeinflussen. Die beiden bauen nicht nur die Instrumente, sie binden die Musiker bereits in der Konzeptbildung des Instruments von Beginn an ein. Dies stellt einen wesentlichen Aspekt ihrer Arbeit dar, um das Instrument optimal auf die individuellen Bedürfnisse der Musiker einzustellen. Bis zur Fertigstellung können einer Geige können bis zu 200 und eines Cellos bis zu 400 Arbeitsstunden vergangen sein. Das Anfertigen des Streichinstruments besteht zu 90 Prozent aus Handarbeit und erfordert viel Geschick, da jedes Holz individuell bearbeitet werden muss und keines dem anderen gleicht. Lediglich die groben Umrisse des Instruments werden mit einer mechanischen Säge bearbeitet.

Streichinstrumente haben den großen Vorteil, dass sie gut reparier- und restaurierbar sind.  Somit kann das Holz mehrere Jahrhunderte lange Nutzung in einem Instrument finden, was für die Nachhaltigkeit dieser Instrumente spricht. Noch heute werden Geigen, die bereits 300 Jahre alt sind, gespielt. Die wohl bekanntesten und wertvollste Geigen stammen von Antonio Giacomo Stradivari (1648-1737). Er wird von vielen als der beste Geigenbauer der Geschichte angesehen. Seine Geigen, die auch bei vielen renommierten Solisten wie Anne-Sophie Mutter oder Isabelle Faust beliebt sind, werden teilweise für viele Millionen Euro gehandelt.

Gideon Baumblatt und Mira Gruszow haben sich ganz dem Neubau von Instrumenten verschrieben. Im Gegensatz zu anderen Geigenbauern bieten sie keine Reparaturen oder einen Verkauf von Zubehör an. Sie investieren ihre Zeit vollkommen in den Bau des jeweiligen Instruments. Auch wenn die Nachfrage an ihren Streichinstrumenten stetig wächst, bleiben sie sich treu und fertigen jedes Jahr etwa sechs Instrumente an, um ihre hohe Qualität gewährleisten zu können. 

Durch den Besuch beim Geigenbauer weiß ich jetzt, wie Streichinstrumente entstehen: Mit viel Handarbeit und Kunstfertigkeit sowie großem Wissen um die Vielseitigkeit des Holzes. Daher schätze ich mein Instrument nun noch mehr und freue mich schon darauf, wieder musizieren zu können.