Holz in der Raumfahrt

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Nachhaltige Produktion mit nachwachsenden Rohstoffen ist ein großes Thema. Aber nicht direkt das, woran wir denken, wenn wir „Raumfahrt“ hören. Bei Raumfahrt kommen uns spontan Mikroelektronik, Spezialmetalle und High-Tech-Keramiken in den Sinn. Aber Holz? Oh ja, es hat in der Raumfahrt eine lange Geschichte – und wird durch aktuelle Forschung noch mehr Bedeutung bekommen.

Von Anfang an mit dabei

Ab dem Ende der 1950er-Jahre tobte das „Space Race“: Die Großmächte USA und Sowjetunion wetteiferten um historische Fortschritte in der Raumfahrt. Mit dabei: Holz.

Nach dem Erreichen der Erdumlaufbahn war der Mond das nächste Ziel. Der Sowjetunion gelang es mit der Sonde Luna 2 schon 1959, auf dem Mond aufzuschlagen. Die US-amerikanische Antwort darauf war das Ranger-Programm.

Zu einer kontrollierten Landung war die Technologie auch auf amerikanischer Seite noch nicht weit genug, die Sonde sollte daher ähnlich wie Luna 2 einige Messungen machen und dann auf dem Mond zerschellen. Durch einen Trick sollte sie aber zusätzlich ein recht empfindliches Instrument auf den Mond zu bringen: Einen Seismographen, also ein Gerät zur Messung von Erdstößen. Dazu wurde er in einer Balsaholzkugel untergebracht, die sich von der Sonde lösen und separat auf dem Mond aufschlagen sollte. Hinter den dicken Wänden der Kugel war ein mit Flüssigkeit gefüllter Hohlraum, in dem das Instrument schwamm. Die Flüssigkeit hätte den Stoß abgefangen. Nach dem Aufprall wäre die Flüssigkeit herausgepumpt worden, wodurch sich der Seismograph automatisch aufgerichtet hätte.

Sekretärin Pat McKibben präsentiert eine Hälfte einer solchen Balsaholzkugel, aufgenommen beim NASA Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, Kalifornien, November 1960

Ranger 3, die erste Sonde mit einer solchen Holzkugel, verfehlte leider den Mond. Ranger 4 war das erste US-amerikanische Raumfahrzeug, das den Mond erreichte, allerdings anders als geplant: Wegen Problemen mit den Solarzellen und der Navigation schlug die Sonde auf der Rückseite des Mondes auf. Die Funkausrüstung der Sonde war zu schwach, um von dieser erdabgewandten Seite zu kommunizieren, daher ist unklar, ob die Holzkugel funktioniert hätte. Ranger 5, die letzte Sonde mit Holzkugel, hatte Batterieprobleme und verfehlte den Mond wiederum.

Entsprechend befinden sich seit den frühen 60ern drei Holzkugeln im Weltall: Die von Ranger 4 liegt auf der Rückseite des Monds; Ranger 3 und 5, inklusive ihrer Holzkugeln, kreisen wie viele Objekte im Sonnensystem ohne Antrieb um die Sonne.

Schlecht hat sich das erste Weltraumholz also nicht unbedingt geschlagen, denn von den drei Holzkugeln kam zwar keine zum vorgesehenen Einsatz, es scheiterte aber jedes Mal nicht am Werkstoff Holz, sondern an anderen Problemen.

Holz als Hitzeschild

Space Shuttle Columbia

In einem anderen Raumfahrteinsatz hat Holz und besonders der verwandte Rohstoff Kork (gewonnen aus der Rinde der Korkeiche (quercus suber), die mit unseren heimischen Eichen verwandt ist), sich lange bewährt: Als Hitzeschild beim Verlassen und vor allem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre.

Kork wurde hierfür unter anderem beim US-Space-Shuttle-Programm (1981-2011) und 2020 bei europäischen Mini-Satelliten des Formats CubeSat verwendet, Eichenholz im chinesischen Weltraumprogramm für die Fanhui-Shi-Weixing-Satelliten 1969-2006.

Sowohl Kork als auch Eichenholz wurden hierfür mit Kunstharzen behandelt.

Moment – Holz als Hitzeschild, obwohl es brennbar ist? Also hohen Temperaturen offenbar nicht einfach so standhält? Genau das ist der Trick. Diese Art von Hitzeschild ist ein Einweg-Schild: Es geht es nicht darum, dass der Schild selbst die Wärme unbeschadet übersteht, sondern die empfindlichen Geräte im Inneren.

Das Raumfahrzeug hat beim Eintritt in die Atmosphäre ein hohes Tempo. Das ist Absicht: Es vorher zu verlangsamen, würde viel Treibstoff kosten, daher wird es energiesparend einfach in die Atmosphäre gesteuert, um dort von der Reibung an den Gasen gebremst zu werden und langsam genug zum Landen zu werden. Durch diese Reibung an den Gasteilchen der Atmosphäre entsteht allerdings glühende Hitze.

Holz oder Kork halten das erstaunlich gut aus: Da im Randbereich der Atmosphäre nicht genug Sauerstoff vorhanden ist, um das Holz oder den Kork in Brand zu stecken, wird stattdessen immer die äußerste Schicht zu Holzkohle, wobei flüchtige Bestandteile (auch die aus den Kunstharzen) zu Gas werden – wissenschaftlich sagt man, das Holz pyrolysiert. 

Einerseits isoliert das austretende Gas die Kohleoberfläche, andererseits sind sowohl Holzkohle als auch Holz oder Kork selbst sehr schlechte Wärmeleiter, sodass die Hitze kaum ins Innere vordringt, dieses ist also geschützt, während der Schild langsam abgebaut wird.

Denn die äußere Kohleschicht wird durch die hohen Temperaturen und die Reibung an den Teilchen der Atmosphäre weggefegt, was wieder Holz oder Kork freilegt, das erneut pyrolysiert usw.

Holzwerkstoffe

Die hier vorgestellten Holzprodukte haben eines gemeinsam: Es handelt sich um sogenannte Holzwerkstoffe. Das bezeichnet alle Stoffe, bei denen Holzelemente gezielt zu Formen zusammengefügt werden, meist unter Zuhilfenahme von Leim. Die Holzelemente können dabei so groß wie Bretter sein (Brettschicht- oder Brettsperrholz) oder so klein wie Späne (Spanplatten) oder Fasern (Holzfaserplatte). Auch die verwendeten Bindemittel und weitere Behandlungen können variiert werden. Insgesamt ergeben sich so viele mögliche Anwendungen, vom günstigen Plastikersatz hin zur tragenden Rolle in Hochhäusern oder eben Satelliten.
Der große Vorteil im Vergleich zu massivem Holz: Man ist nicht daran gebunden, wie der Baum gewachsen ist. Das macht nicht nur viel mehr Formen möglich, sondern erlaubt auch, schiefere Bestandteile von Bäumen zu verwenden. So kann ein größerer Anteil des Kohlenstoffs gespeichert werden, den die Bäume vorher der Atmosphäre entzogen haben. Damit wird verhindert, dass er wieder zum Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2) wird, während gleichzeitig im Wald Platz für neue Bäume und somit mehr Kohlenstoffaufnahme geschaffen wird.

Daher heißt diese Art Schild „ablativer Hitzeschild“. Das hat nichts mit dem Lateinunterricht zu tun: In der Physik bedeutet „Ablation“ die Abtragung eines Materials durch Aufheizung.

Als Material für diesen Schild sind Holz oder Kork die nachhaltige Alternative zu aus fossilen Brennstoffen hergestellten Carbonfasern. Die zur Imprägnierung genutzten Kunstharze (Phenolharze) sind zwar fossilen Ursprungs, aber auch die Carbonfasern müssten damit imprägniert werden. Zudem werden auch Chemikalien wie Phenolharze wahrscheinlich zunehmend aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden können.

Denn die Geschichte ist noch nicht zu Ende: Das Nachfolgeprogramm zum Space Shuttle, das gerade in Entwicklung befindliche „Space Launch System“, nutzt an besonders beanspruchten Stellen Kork, an weniger gefährdeten Stellen etwas weniger Zähes, aber noch Leichteres: einen neuartigen Isolierschaum.

Zwei neue Satelliten

Doch Hitzeschilde sind erst der Anfang: Momentan laufen gleich zwei Forschungsprojekte, um Holz zum ersten Mal in die Hauptrolle zu bringen – eins in Japan, eins in Finnland. Beide zielen darauf ab, die Wände von Raumfahrzeugen aus Holz zu bauen, statt dass sich die Holznutzung wie bisher auf einzelne Teile beschränkt.

Dabei geht es zunächst um Satelliten. Das ist eine praktische Idee, denn anders als z. B. Raketen müssen Satelliten keine extremen Belastungen aushalten. Zudem spart es Raketentreibstoff, wenn die zu befördernde Last, z. B. ein Satellit, leicht ist – das ist ganz grundsätzlich ein Vorteil von Holz, auch z. B. beim Holzbau.

Zudem sind Satelliten das mit großem Abstand häufigste und wirtschaftlich wichtigste Raumfahrzeug. Anders als Sonden zu fernen Planeten oder gar bemannte Missionen sind Satelliten längst alltäglich geworden.

Vielleicht sogar zu alltäglich: Zahlreiche ausgediente Satelliten tragen längst zum Weltraumschrott bei, was in Zukunft zu Kollisionen im Weltall führen kann. Eine Möglichkeit zur Entsorgung wäre, sie so zu verlangsamen, dass sie Richtung Erde stürzen. Bei Satelliten aus Metall kann man sich aber nicht darauf verlassen, dass sie dabei vollständig verglühen, und der Rest würde auf dem Planeten aufschlagen. Genau darum geht es beim japanischen Forschungsprojekt: Ein Holzsatellit würde wahrscheinlich vollständig verglühen.

Die Japaner möchten zudem einen weiteren Vorteil von Holzwänden erforschen: Anders als Metall schirmt es elektromagnetische Strahlung nicht ab, Antennen etc. könnten damit in Innere das Satelliten verlegt werden.

Der Satellit soll 2023 starten, welches Holz verwendet werden soll, ist allerdings noch geheim.

Die Entsorgung ist nur ein Teil der Nachhaltigkeit, vorher ist es gut, wenn das Produkt so lange wie möglich verwendet werden kann. Dieser Frage widmet sich das finnische Projekt „WISA Woodsat“: Wie lang kann die Lebensdauer für einen Holzsatelliten sein? Denn so hoch über der Erde ist das Holz zwar sicher vor Holzwürmern oder Pilzen, hat aber mit anderen Gegnern zu kämpfen: Hoher Strahlung sowie durch diese Strahlung entstehenden aggressiven Chemikalien, z. B. Sauerstoffradikalen. Auch andere Materialien, selbst Metalle, werden davon in Mitleidenschaft gezogen. Der „Woodsat“ besteht aus Birkensperrholz, das zum Schutz vor diesen Bedingungen speziell beschichtet ist.

Der finnische Holzsatellit. Bild: Arctic Astronautics

Der Satellit trägt auf ihn selbst gerichtete Kameras und Sensoren, um seinen langsamen Zerfall zu dokumentieren. Er soll noch in diesem Jahr in den Weltraum geschossen werden.

Durch die Pionierarbeit an diesen beiden Satelliten können zukünftige Holzsatelliten verbessert und weitere Anwendungsmöglichkeiten für Holz im Weltall ausgelotet werden.

Kurz: Der Rohstoff Holz hat nicht nur auf, sondern auch jenseits der Erde eine große Zukunft vor sich!